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Ängste überwinden: Flüchtlinge und Einheimische im Gespräch über Angst

Rendsburg – Gute 40 Menschen haben sich im Gemeindehaus in der Pastor-Schröder-Straße 70 versammelt, in kleinen Runden sitzen sie zusammen und reden. Flüchtlinge neben Einheimischen. Das Thema des Abends: „Flüchtlingsängste – Angst vor Flüchtlingen Ein Versuch, sich besser zu verstehen“. Eingeladen hat die Kirchengemeinde St. Marien im Rahmen der Reihe „St. Marien – Kirche mittendrin“, organisiert wurde der Abend vom Kirchengemeinderat und dem Flüchtlingsbeauftragten des Kirchenkreises Rendsburg-Eckernförde, Walter Wiegand. 

Die stellvertretende Vorsitzende des Kirchengemeinderats, Randi Melander, erklärte zur Begrüßung, dass es nicht nur darum ginge, Flüchtlinge willkommen zu heißen, sondern auch einander zu begreifen. Es sei normal, dass sich Ängste entwickeln würden, abbauen könne man diese nur, indem man sich kennen lerne. 

„Der Angst-Ort meiner Kindheit? Der Keller!“ erklärte Walter Wiegand in seinen einführenden Worten zum Thema Angst. Trotz der großen Angst sei er als Kind immer wieder in den Keller gestiegen und hinterher mit schlotternden Knien wieder heraus gekommen. Und genau darum ginge es nun auch: Sich seinen Ängsten zu stellen bedeute, sie abbauen zu können. Nach seiner kurzen Einführung, die sich auch mit den Hintergründen von Ängsten beschäftigte, wechselte der Charakter der Veranstaltung schnell von einer Podiumsdiskussion zu einem echten Gespräch miteinander. Alle Gäste waren aufgefordert, von ihren Ängsten zu berichten.

Aus Sicht der Einheimischen kamen alle denkbaren Themen zur Sprache: Eine Besucherin berichtete von ihrer 91-jährigen Mutter, die bei Berichten von brennenden Flüchtlingsheimen sagte „So hat das alles schon mal angefangen! Passt bloß auf!“. Melander erzählte von Barbara, 68, die Angst um die Gesellschaft und die Gepflogenheiten des Umgangs miteinander hat – weil sie erlebt, dass Gruppen junger Flüchtlinge ihr auf dem Gehweg keinen Platz machen, wenn sie vorbei möchte. Dazu passt die Erzählung eines Polizisten, der sich auch um die Werte sorge. Er betonte allerdings, dass es dabei nicht nur um Flüchtlinge gehe, sondern das genauso Deutsche betreffe. Andere sprachen von ihren Sorgen um die Flüchtlinge: Familien aus Albanien, die abgeschoben werden sollen, junge Flüchtlinge die als Dublin-Fälle damit rechnen müssen, in andere europäische Länder geschickt zu werden. Aber auch die Frage, ob all diese Menschen hier integriert werden könnten stand im Raum. 

Die Flüchtlinge, die ein gutes Drittel der Gäste des Abends stellten, berichteten von grundsätzlich anderen Ängsten: Angst vor Krieg, vor Hunger, Angst um die Familien und um die Zukunft. Aber auch Angst vor Rassismus und vor Übergriffen hier in Deutschland sowie davor, abgeschoben zu werden in Zustände, vor denen sie geflüchtet seien, thematisierten die Geflüchteten aus Syrien, Afghanistan und dem Iran. Shafi Wassal, Journalist aus Harad, Afghanistan, berichtete, er habe große Angst zu erzählen, dass er Muslim sei, weil er deshalb als Terrorist abgestempelt werden könnte. Eine Mitarbeiterin des Diakonischen Werks, Olga Ebauer, erklärte darüber hinaus, viele Flüchtlinge hätten schlicht Angst den Mund aufzumachen, wegen der mangelnden Sprachkenntnisse. Sie selbst sagte, bei der Arbeit hätte sie keine Angst – nachts alleine auf der Straße hingegen fürchte sie sich vor allen Männern, egal wo diese herkämen.

Antworten auf die vielen Ängste gab es nicht, alle Gäste hielten es aus, dass es keine einfachen und schnellen Lösungen für diese Ängste gibt. Am Ende der Veranstaltung appellierte der 23-jährige Nasar Mohammad Onywal aus Kabul, der seit einem halben Jahr in Deutschland ist, in gebrochenem Deutsch: „Habt keine Angst vor den Männern, die in Gruppen auf der Straße stehen. Sie haben nichts zu tun, sie treffen sich um sich an zuhause zu erinnern, das tut der Seele gut. Es sind Menschen aus Fleisch und Blut, mit Gefühlen, wie alle anderen auch. Geht hin zu den Menschen, fragt sie, warum sie dort stehen, woher sie kommen. Sie werden euch erzählen“.

Kirche im Norden