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Dem Glauben auf der Spur

  • 1200 Jahre Geschichte des Christentums in Holstein, zu sehen in der Nordkapelle.
  • Kindgerechte Ausführungen finden sich in den Luther-Hörboxen, hier lauscht Pastor Rainer Karstens den Geschichten zur Reformation.
  • Das Totengedenken in der Südkapelle wurde überarbeitet und erweitert.
  • Anna Bandholz (links) und Astrid Becker von drej zeigen Marco Neumann (Aktivregion Rendsburg) das digitale Kirchenmodell.
  • Architekt Hauke Mengel vor dem hinteren Eingang der ehemaligen Sakristei, einem barrierearmen Zugang zu diesem Teil der Ausstellung.
  • In der ehemaligen Sakristei gibt es was auf die Ohren, von altehrwürdigen Musikern und Kantor Linhardt (nicht im Bild).
  • Letzter Check: Kurator Jens Martin Neumann prüft, ob die richtigen Musikstücke in der Hörstation laufen.

Rendsburg – Eine dauerhafte Ausstellung in einer Kirche, die trotzdem weiterhin für alle „üblichen“ Zwecke genutzt werden kann – also Gottesdienste, Amtshandlungen, Konzerte – klingt nach einer großen Herausforderung. Dieser stellte sich die Kirchengemeinde St. Marien in Rendsburg gemeinsam mit dem Kurator Jens Martin Neumann sowie Astrid Becker und Anna Bandholz von drej - szenografie und Design. Sie haben in den letzten anderthalb Jahren eine eindrückliche Dauerausstellung mit dem Titel „Glaubensspuren“ in der 1287 erbauten St. Marien-Kirche in Rendsburg ins Leben gerufen, die die normale Nutzung nicht einschränkt.

Der Kunsthistoriker Neumann ist vom Ergebnis der gemeinschaftlichen Anstrengungen begeistert: „Wir erzählen hier 1200 Jahre Christentum in Holstein. In einer ehemals katholischen Kirche, die reformatorisch umgestaltet wurde. Eine kleine, feine Ausstellung, die der Besinnung und Vertiefung dient und nicht der Zerstreuung“. Eröffnet wird diese Ausstellung am kommenden Sonntag, dem 22.9.2019 um 11 Uhr mit einem Gottesdienst, Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt wird die Predigt halten.

Eine kleine, feine Ausstellung an diesem historischen und reformatorisch bedeutenden Ort

Die Ausstellung wird dauerhaft in zwei Kapellen, einer ehemaligen Sakristei sowie dem hinteren Seitenschiff zu sehen sein. Kindgerechte Hörstationen machen die Ausstellung für ein jüngeres Publikum noch besser erlebbar. Die Exponate stammen größtenteils aus dem Bestand der Kirchengemeinde, ergänzt durch Kunstwerke zeitgenössischer Künstler. Die konkreten Planung begannen im Februar 2018, die Idee entwickelte sich jedoch über einen deutlich längeren Zeitraum, wie Pastor Rainer Karstens verrät: „Mit einem Team von Haupt- und Ehrenamtlichen haben wir in den vergangenen 20 Jahren unser Archivgut gesichtet und die lokale Kirchengeschichte erforscht“.

Die Umsetzung war dann für alle Beteiligten eine große Herausforderung: „Viele Einzelräume in einer Kirche, nicht ein Raum in einem Museum, mit Belangen des Denkmalschutzes – das war eine spannende aber sehr schöne Aufgabe,“ so Astrid Becker: „Die Kirche sollte nicht in ein Museum verwandelt werden, also war der Fokus, so wenig wie möglich aber so viel wie nötig zu machen“. Auch für den Architekten Hauke Mengel vom Architektenbüro war die Aufgabe eine besondere: „Wir haben den Blick auf die Förderrichtlinien, den Denkmalschutz, die Anforderungen des Kirchenkreises und die Wünsche des Kunsthistorikers und der beiden Künstlerinnen gehabt und versucht, allen Ansprüchen zu genügen“. Tatsächlich umgesetzt hat er in erster Linie bauliche Veränderungen, beispielsweise wurde ein Weg neben der Kirche angelegt, um einen barrierearmen Zugang zu den Räumen der ehemaligen Sakristei zu ermöglichen.

Informationen in deutsch und englisch für Touristen

Häufig wundern sich Besucher der St.-Marien-Kirche, die als ältestes Gebäude der Stadt gilt und gleich neben dem historischen Rathaus liegt: Ihre Ausstattung lässt manch einen glauben, er befände sich in einer katholischen Kirche. „Aber dem ist nicht so: Die Kirche sieht so aus, wie Martin Luther sich eine Kirche vorstellte“, erklärt Karstens. Die ungewöhnlich reiche und wertvolle Ausstattung von St. Marien lade dazu ein, die Geschichte des christlichen Glaubens in Norddeutschland darzustellen und das Staunen über die mittelalterliche Architektur und die Kunst aus verschiedenen Epochen mit Informationen und Erklärungen für Menschen unserer Zeit zu verbinden, so Karstens weiter. Sichtlich stolz ist der Vorsitzende des Kirchengemeinderates auf das Ergebnis: „Wir wollten den Kirchenraum nicht in ein Museum verwandeln, sondern seine besondere Ausstrahlung als Ort der stillen Andacht und der gemeindlichen Gottesdienste und Konzerte bewahren – und das ist uns auch gelungen.“

In der Nordkapelle führt ein doppeltes Ereignisband durch die wechselhafte Geschichte der Welt, der Kirche und der Region, in der Südkapelle wurde das Totengedenken aufwendig überarbeitet. Im Kirchraum selbst wird in einer Computer-Animation der Hamburger Illustratorin Kathy Würbs mit bewegten Bildern und kurzen Texten der maßgebliche Wandel von mittelalterlichem zu reformatorischem Kultus erklärt. Wie auch an anderen Stellen finden Besucherinnen und Besucher Informationstafeln in deutsch und englisch, die sie mitnehmen können – beispielsweise zum Altar, um sich dann über dessen Geschichte zu informieren.

In der ehemaligen Sakristei können sich Besucherinnen und Besucher künftig über Kirchenmusik, die Historie der Kirchengemeinde selbst sowie wesentliche Bausteine des Gottesdienstes informieren. Unter anderem zu sehen sind Bücher aus der Gudeschen Bibliothek, ergänzt um Informationen über den Rendsburger Gelehrten Marquard Gude. Die Ausstellung verzichtet bewusst auf längere erklärende Texttafeln oder digitale Finessen. Sie will vielmehr Lust machen auf das sinnliche Erleben und Entdecken der originalen Spuren des Glaubens und der Geschichte. „Mehr Sehen als Lesen“ war einer der Grundsätze bei der Entwicklung des Konzepts, das bewusst auch Kunst der Gegenwart einbezieht und in den Mittelpunkt rückt.

Insgesamt hat die Ausstellung rund 212.000 Euro gekostet. Möglich gemacht haben das verschiedene Geldgeber. Allen voran die Aktivregion, die 93.000 Euro an EU-Fördermitteln bereitgestellt hat. Geschäftsführer Marco Neumann hat sich über den Antrag sehr gefreut: „Das Projekt gliedert sich in eine Reihe musealer Projekte, die der Stadt und der Region auch touristisch betrachtet einen großen Schub geben“. Tourismus und Kirche passen besser zusammen, als manch einer denkt. Jährlich besuchen um die 2 Millionen Menschen in Schleswig-Holstein Kirchen außerhalb der regulären Veranstaltungen, berichtete Propst Sönke Funck, beim Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde unter anderem verantwortlich für diesen Bereich. „Die Menschen wollen wissen, warum eine Kirche so aussieht, wie sie aussieht, wenn sie sie besuchen. Dieses Projekt hier macht das vorbildlich. Auch kirchenpädagogisch ist die Ausstellung besonders, da haben wir gern finanziell unterstützt“. Der Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde unterstützte die Kirchengemeinde gemeinsam mit der Nordkirche mit 60.000 Euro, die Kirchengemeinde selbst trug weitere 60.000 Euro bei.

Kirche im Norden