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Seenotrettung als Christenpflicht

  • Altbischof Gerhard Ullrich (Mitte) im Gespräch mit Moderator Markus Bartsch und Dietlind Jochims.
  • Stefan Schmidt (Mitte) war selbst als Kapitän der "Cap Anamur" in der Seenotrettung unterwegs. Rechts Diakon Jörg Kleinewiese, links Dietlind Jochims.

Rendsburg – Die Veranstalter zeigten sich zufrieden: Immerhin rund 30 Menschen waren gekommen, um den vier Menschen auf dem Podium erst zuzuhören und anschließend Fragen zu stellen. Als Gesprächspartner konnten die Organisatoren Dietlind Jochims (Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche), Stefan Schmidt (Beauftragter für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein), Gerhard Ullrich (Landesbischof em. Nordkirche) sowie Diakon Jörg Kleinewiese (Koordinator für Flüchtlingsarbeit im Erzbistum Hamburg) gewinnen. Der „Talk im Foyer“ im Rendsburger Rathaus zum Thema „Seenotrettung im Mittelmeer“ war Teil der „Seetember“-Aktionen, die von einem kirchlichen Bündnis in Rendsburg im Rahmen der Interkulturellen Woche organisiert werden.

Walter Wiegand, der Flüchtlingsbeauftragte des Kirchenkreises Rendsburg-Eckernförde begrüßte seine Gäste und stellte die Menschen auf dem Podium mit Zitaten der jeweiligen Personen vor. Auffallend dabei war das Zitat von Landesbischof i.R. Gerhard Ullrich, der schon 2014 mit Verweis auf ertrinkende Flüchtlinge im Mittelmeer fragte: „Menschen setzen sich lieber der Lebensgefahr und dubiosen Schleppern aus, als in der Heimat zu bleiben, wo sie verfolgt und bedroht werden. Und dann kommen sie, wenn sie Glück haben und nicht zuvor in den Fluten ertrinken, an in Europa - und finden die Türen versperrt. Wie viele Menschen müssen noch sterben, bevor wir aufwachen, bevor wir eingreifen und die Ursachen beseitigen von Flucht und Hunger?“

Alle vier berichteten von ihren teils sehr persönlichen ersten Berührungen mit dem Thema: Dietlind Jochims etwa adoptierte einen Jungen aus Afghanistan, der selbst über die Balkanroute nach Deutschland kam und erzählte davon, wie sie dem Mann begegnete, der 2016 mit dem toten Baby am Strand fotografiert wurde – ein Bild, das um die Welt ging und heute noch viele betroffen macht. Stefan Schmidt war vor Jahren selbst als Kapitän auf der „Cap Anamur“ unterwegs im Mittelmeer und wurde nach der Rettung von 37  Menschen dafür angeklagt. Seine älteste Erinnerung an das Thema seien allerdings die Bomben auf Stettin, die er als Kind selbst fallen hörte.

Wird Rendsburg ein "Sicherer Hafen"?

Ein Ziel der „Seetember“-Aktion ist laut Organisator Wiegand, dass sich Rendsburg zum „Sicheren Hafen“ erklären möge. Eine entsprechende Initiative hat die Rendsburger SPD für die kommende Ratssitzung am 26. September gestartet. Die Aussichten seien nicht besonders gut, berichtet Andreas Marx aus dem Publikum: „So wie es aussieht, wird es keine Mehrheit dafür im Rendsburger Rat geben“. Das bedauerten die Podiumsgäste ausdrücklich. „Die Auswirkungen für die einzelne Kommune sind sehr gering“, so Schmidt. Kleinewiese machte deutlich, dass es eigentlich kaum eine Alternative gebe: „Die Erklärung zum ‚Sicheren Hafen‘ ist nichts anderes als ein Beleg für unsere Haltung und ein deutliches Zeichen dafür, dass wir unsere christlichen Werte auch leben“. Ullrich betonte den zweideutigen Aspekt eines Hafens: „In einem Hafen kann ich nicht nur anlegen, ich kann von dort auch ablegen. Und genau das wollen die meisten dieser Menschen mehr als alles andere: Wieder nach Hause, in ein sicheres Zuhause“.

Auf die Frage, wie man Menschen begegnen solle, die Ängste im Zusammenhang mit dem Thema äußern, offenbarte Jochims, dass sie mit denen, die Ängste nur vorschieben, um ihren Fremdenhass zu kaschieren, nicht mehr ins Gespräch ginge. Dem hielt Ullrich entgegen: „Wir müssen uns diesen Menschen und auch den dahinterliegenden Themen stellen, mit Fakten und ausgesuchter Freundlichkeit“. Zur Frage ob an dem häufig geäußerten Vorwurf der ‚Schlepperbande Seenotretter‘ etwas dran sei, waren sich alle einig: „Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Boote im Mittelmeer und der Zahl der Menschen, die sich auf den Weg machen“, zitierte Jochims aus Studien zum Thema. Für Ullrich ist diese Frage nur eines: „Zynisch! Die Treiber sind Krieg, Not und Hunger. Niemand macht sich auf den gefährlichen Weg, weil er möglicherweise einem Seenotretter begegnen könnte“. Zum Ende durften die vier Gäste noch einen Wunsch äußern und waren sich dabei sehr einig: „Rendsburg möge sich zum Sicheren Hafen erklären“.

Kirche im Norden