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Aufbruch nach Toitz

Alt Duvenstedt – Am 31. Dezember wird Andrea Mallek anstoßen. Das tun viele Menschen an Silvester – die Pastorin wird es aber aus anderen Gründen tun. Sie wird an ihren Mann denken, den erst im Juli verstorbenen Pastor Joachim Mallek. Sie wird an ihre Zeit hier in der Kirchengemeinde Fockbek denken, mehr als zehn Dienstjahre, die an ebendiesem Tag zu Ende gehen. Und außerdem hat sie Silvester Geburtstag. „Ich war ein Knaller!“, sagt sie und lacht.

Die 61-Jährige verlässt ihren Bezirk in Alt Duvenstedt mit gemischtem Gefühl. Denn natürlich waren da wunderbare Gottesdienste an wunderbaren Orten: Heiligabend im Kuhstall, Erntedank in der Scheune, Tiersegnungen in der Reithalle oder Karneval in der Kirche – „getreu meiner Devise: Wenn die Menschen nicht zur Kirche kommen, kommt die Kirche eben zu den Menschen.“ Gut 5700 Mitglieder hat die evangelische Kirche in Fockbek, Nübbel und Alt Duvenstedt, doch wie überall in Deutschland beerdigen die Pastorinnen und Pastoren auch hier mehr Menschen, als sie taufen. Vor attraktiven Orten und Aktionen scheute sich Mallek nie.

Da waren die Projekte in der Gemeinde. In der Matthäuskirche, einem hausförmigen Bau im Stil der 1960er Jahre mit weißen Backsteinwänden und schrägen Holzdecken, tritt Mallek hinter den Altar und entzündet die beiden Kerzen darauf. „Ich mag diese Kirche, sie ist schlicht und klar.“ Mallek streicht kurz über die Skulptur auf dem Altar, Kreuz und Kunst zugleich. „Das ist von Ludger Trautmann.“ Der Hamburger Bildhauer inspiriert sie, sie hat Kurse bei ihm belegt – und das Erlernte buchstäblich in „Bibel-Arbeit“ mit ihren Konfirmandinnen und Konfirmanden umgesetzt. Mallek zeigt eine Bibel, kunstvoll beklebt und verziert von einer Jugendlichen. „Dabei haben wir eher beiläufig geplaudert, über Gott und die Welt; ich habe viel zugehört und gelernt von den Jugendlichen. Denn das habe ich erst in den letzten Jahren verstanden: dass man nicht die Menschen ändern sollte, sondern sich selber.“

Vor allem aber waren da die vielen guten Begegnungen im Ort, in der Schule, in den Vereinen. Ihre erste Dekade als Pastorin hatte Mallek mit ihrem Mann in Hamburg und Kiel verbracht, die zweite ebenfalls in Kiel, „aber Poppenbrügge hatte schon eher Vorort-Charakter“, nun die dritte auf dem Dorf. Zudem hat Mallek mit einer halben Stelle Vertretungsdienst im Kirchenkreis geleistet, etwa in Büdelsdorf. „Ich würde sagen, dass diese Station die gelungenste war: Die Menschen hier sind neugierig und zugewandt, geben aufeinander acht und achten einander.“ Und wenn sich Andrea Mallek nach ihrer Verabschiedung am 9. Dezember (18 Uhr, Matthäuskirche Alt Duvenstedt) etwas erhofft, dann dies: „dass sich jemand liebevoll um die Menschen hier kümmert.“

Mallek hat sich ihre Neugier bewahrt. Sie hat sich zur Bauernhofpädagogin fortbilden lassen und zur systemischen Familientherapeutin. Sie freut sich an der Kunst. Nun bricht sie nochmal auf, Silvester wird auch ihre Zeit in Alt Duvenstedt zu Ende gehen. Sie arbeitet weiter für die Nordkirche, doch zugleich erfindet sie sich nochmal neu.

Am Neujahrsmorgen wird Andrea Mallek das Pastorat in der Dorfstraße abschließen, ihre drei Hunde ins Wohnmobil springen lassen, den Zündschlüssel umdrehen und 292 Kilometer nach Osten rollen. Sie wird dort von der Autobahn abbiegen, wo neulich wegen des moorigen Untergrundes die A20 einfach weggesackt ist, noch ein bisschen über Land fahren – und dann wird sie ihren Dienst in der vorpommerschen Propstei Stralsund antreten. „Vertretungsdienste in einem riesigen Kirchenkreis mit komplett anders sozialisierten Gemeinden. Das wird sehr spannend!“

Dort in Toitz wird Mallek „die 66. Bewohnerin des Dorfes“. Sie lacht erneut. Ganz unbeschwert kommt dieses Lachen nicht: Ihr Mann hatte eigentlich der 67. Toitzer werden sollen. Vor Jahren haben die Malleks einen alten Bauernhof dort erstanden und hergerichtet. „Dach und Fenster sind neu und zwei Zimmer fertig. Einiges muss ich aber noch machen.“ Ihre drei Kinder bestärken Andrea Mallek darin, die neue Station anzugehen. „Es ist für sie natürlich eine lange Strecke nach Toitz. Aber vielleicht lernen sie den Hof als Rückzugsort zu schätzen.“

Kirche im Norden