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Mit Erdbeeren und Glöckchen

  • Erst der Einkauf, dann das Glöckchen: Pastorin Susanna Kschamer und Propst Sönke Funck umrahmen die Fleckebyerin Göntje Timme
  • Hörst du nicht die Glocken: Am Ende hatten die Ehrenamtlichen um Pastorin Kschamer 42 Glöckchen verteilt.
  • Im Dialog: Bekannte und neue Gesichter kamen am Fleckebyer Supermarkt vorbei zum Pläuschchen.
  • Entspannte KGR-Mitglieder in Fleckeby: Manfred Radtke, Heinz Meggers und Friedrich Nissen (v.l.)

Fleckeby / Kosel – Ein klassischer Freitagnachmittag in Fleckeby. Der Feierabendverkehr auf der Hauptstraße schiebt sich durchs Dorf, und für Salat, Grillgut und eine Packung Milch biegt mancher noch rasch ab zu Paasch, dem örtlichen Kaufmann. Und dort auf dem Parkplatz klingelt es hell, leise und freundlich. „Hallo, seid Ihr schon mit Glöckchen und Mäusen versorgt?“, fragt Susanna Kschamer ein junges Paar Mitte 20 und bimmelt erneut mit einer kleinen Messingglocke in ihrer Hand. Hinter ihr stehen weiße Schaumzucker-Mäuse, frische Erdbeeren, Rharbarberschorle bereit – und drei Dutzend der Glöckchen nebst einem kleinen Heft „Hörst du nicht die Glocken? Gedanken zum Tageslauf“.

Die beiden Angesprochenen lachen, sie kennen Kschamer und versprechen gleich vorbeizuschauen, wenn sie den Einkauf erledigt haben. Und wegen der heute stichigen Sonne kehrt die Pastorin kurz zurück unter den weißen Pavillion, an dem Schilder hängen: „Ev.-Luth. Kirchengemeinde Kosel: Fleckeby – Güby – Hummelfeld – Kosel“. Ein halbes Dutzend Ehrenamtliche mischt Schorle, drapiert Erdbeeren und Glöckchen, spricht vorsichtig Einkaufende an. Und Sönke Funck diskutiert an einem Stehtisch mit einer Frau Ende 50 mit Perlenkette und weißen Glitzerturnschuhen über die Frage, wie die Trauerarbeit in Schwansen künftig von der Kirche begleitet wird.

Die erste Visitation in Kosel seit 1998

Der Propst des Kirchenkreises Rendsburg-Eckernförde ist eine Woche zu Besuch in der Kirchengemeinde. Solche Visitationen gehören zu den dienstaufsichtlichen Aufgaben eines Propstes, und so lebt und erlebt Sönke Funck von Sonntag bis Sonntag, von Gottesdienst bis Gottesdienst, eine Woche lang das Gemeindeleben mit. Funck hat mit Pastorin Kschamer und mehreren Ehrenamtlichen eine Gemeinderundfahrt über die Dörfer gemacht – „um ein Bild zu erhalten, wie eine Gemeinde geographisch und sozial zusammenhängt“, sagt Funck, „sollte man sie auch mal buchstäblich er-fahren.“

Funck saß aber auch mit im Kirchengemeinderat und auf dem Fußboden des örtlichen Kindergartens, er hat den Konfirmationsunterricht besucht und den Seniorennachmittag. Er hat gesprochen mit der Grundschulleiterin, den Bürgermeistern der vier politischen Gemeinden und den Verbänden und Vereinen: „Da waren gut 30 Leute im Raum“, sagt Funck, „das hat es vorher nicht gegeben, die wollten solch ein Treffen immer schon mal machen und haben jetzt die Visitation dafür zum Anlass genommen – das ist doch wunderbar!“ Funck ist es ein großes Anliegen, „dass wir als Kirche im Dialog mit den anderen Akteuren zum Dorfleben beitragen, um gemeinsam Lösungen zu finden für Themen wie Mobilität, Altern auf dem Land oder ehrenamtliches Engagement.“ Und eine Aktion wie die heute vor dem Supermarkt sei daher beispielhaft.

"Kirche tut viel, aber die Leute wissen es kaum"

Friedrich Nissen pflichtet ihm bei. Der frühere Inhaber der hiesigen Dachdeckerfirma war lange im Gemeinderat und in Vereinen aktiv, seit kurzem ist er im Kirchengemeinderat. „Kirche als Institution tut recht viel für den sozialen Zusammenhalt“, sagt Nissen, „aber vieles davon wissen die Leute gar nicht oder meckern sogar. Ich glaube, ein Gegeneinander oder Aneinander-Vorbei führt uns nicht weiter – wir müssen es miteinander besser machen.“ Und dafür natürlich miteinander sprechen.

Nicht durch die ausschließliche Bibellektüre, sondern „erst in der Auseinandersetzung mit anderen Menschen“ darüber begegne man „dem lebendigen, dem auferstandenen Christus“, wird Propst Funck zwei Tage später predigen – drüben in der Fleckebyer Kreuz-Kirche, wo seine Visitation enden wird. Und dann wird er seinen Visitationsbericht drei Monate später mit der Kirchengemeinde diskutieren und im Dialog bleiben.

Beim Glockenläuten einmal durchschnaufen

In seine pröpstliche Sprechstunde kam diese Woche zwar niemand, „das ist ziemlich normal“, sagt Funck. Aber heute, am Pavillion vor dem Supermarkt, nutzt im Laufe der Stunde doch eine Handvoll Leute die Gelegenheit und schnackt mit ihm. Auch Göntje Timme aus Fleckeby tauscht drei, vier freundliche Worte mit Propst und Pastorin. Und in ihrem Bastkorb liegt nun, zwischen Kaffee, einer Rolle Gelber Säcke undder Zeitschrift fürs Wochenende, auch ein Glöckchen.

Was hat es nun mit den Glöckchen auf sich, Susanna Kschamer? „Damit wollen wir dafür werben, eine uralte Tradition wieder bewusster wahrzunehmen“,erklärt die Pastorin. „Das Läuten der Kirchenglocken kann uns zum Beispiel in der Hektik des Alltags daran erinnern, einmal kurz durchzupusten.“ Die Glocke in St. Laurentius etwa hängt und läutet seit 1683 zum Gebet: immer morgens um 7 Uhr, mittags um 12, abends um 17 Uhr. „Und dann noch am Samstag um 16 Uhr, um den Sonntag einzuläuten; danach musste nicht mehr gearbeitet werden, nur noch das Vieh wurde versorgt.“

Sönke Funck fand, in all dem Programm und bei all den Gesprächen dieser Woche, einen solchen Moment des Verschnaufens: am Mittwochabend in der Waldkapelle Louisenlund. „Da hielten wir eine Andacht, nur eine halbe Stunde lang. Über uns dieses Wahnsinnsgewitter, aber ich fühlte nur: Ich bin hier, Gott ist auch hier, einmal durchpusten. Diese Kapelle ist ein wirklich spiritueller Ort. Eine Perle, ein verborgener Schatz.“


Auch die Evangelische Zeitung hat die Visitation von Propst Funck beschrieben - hier ihr Bericht.

Kirche im Norden