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„Ohne Kirche wäre ich nicht politisch geworden“

Lennart Wulf erscheint pünktlich im Café. Der Schlaks mit der Nickelbrille und dem rötlichen Strubbelhaar studiert Volkswirtschaftslehre in Kiel und legt kommendes Jahr wohl seinen Master ab. Seit Mai 2018 sitzt er für die Rendsburg-Eckernförder SPD im Kreistag. Wulf ist 24, mit dem Duzen hat er kein Problem. Er bestellt sich einen Cappuccino – und los geht‘s.

Wann bist du zum ersten Mal mit Kirche in Berührung gekommen?

2008 auf dem Koppelsberg…

...in der Freizeit- und Bildungsstätte der Evangelischen Jugend am Plöner See…

...genau, da hat der Kirchenkreis ein KonfiCamp veranstaltet. Das war ein ganz neues Ding damals: fünf Tage als Block in den Herbstferien statt einmal wöchentlich zum Konfirmandenunterricht. Wie viele andere Konfis hatte ich keinen Bock, sondern bin genervt dorthin gefahren, nach dem Motto: „Okay, durch diese eine Woche spare ich immerhin fast ein Jahr Konfi-Unterricht“.

Und dann?

Dann hat sich nach zwei, drei Tagen die Stimmung dort komplett umgedreht – und am Freitag war ich wie die meisten mordstraurig, dass das Camp schon vorbei war! Ab da bin ich dienstagabends immer ins Lukashaus in Rendsburg-Süd gegangen. Dort waren ein umtriebiger Diakon und immer acht, neun, zehn Teamer, die älter als ich waren, aber eben nur ein bisschen.


Du warst 13, die waren 16?

Ja, so ungefähr. Und die nahmen mich trotzdem ernst! Das macht viel aus, wenn man über Dinge redet, über Werte diskutiert oder Geschichten erzählt. Die habe ich schon bewundert. Später sind dann zum Teil Freunde daraus geworden, die ich heute noch habe. Außerdem gab es einen Gitarrenkurs dort, und ich mochte, dass man christliche Lieder auch modern singen und interpretieren kann.

Was du auch getan hast.

Klar, jahrelang im Lukashaus und auf KonfiCamps. Viele Konfis kennen mich dadurch. Auf dem Wilwarin Festival in Ellerdorf hat mich kürzlich eine 19-Jährige angeschnackt: Sie kenne mich vom Konficamp vor sechs Jahren. Klingt jetzt blöd, aber um ehrlich zu sein, hat sie sogar gesagt, dass ich damals ein Vorbild gewesen sei. (lacht) Aber so ging es mir damals im Jugendtreff mit den Teamern ja auch. 

Nach dem Abi war Schluss?

Ja, vorerst. Ich bin 2014 wie viele andere auch nach Australien, um zu reisen und zu arbeiten. Das waren neun Monate, danach nochmal sechs als „BuFDi“ im Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde, im Bundesfreiwilligendienst also. Da habe ich dann wieder viel mit Jugendtreffs zu tun gehabt, zum Beispiel in Gettorf. Und ich durfte eine Schweden-Freizeit mitmachen und eine Taizé-Fahrt, das war brillant. Seitdem studiere ich. 

Wann hört man auf, ein Teamer zu sein?

Ich weiß gar nicht, ob es eine offizielle Grenze gibt – mit 27 oder so? Aber irgendwann zieht man sich ein bisschen zurück oder verabschiedet sich eben. Und es kommen ja gottseidank Andere nach.

Du sitzt im Kreistag und dort auch im Jugendhilfeausschuss. Warum?

Die Arbeit in der evangelischen Jugend war genau richtig. Aber irgendwann wollte ich einen Schritt weitergehen und für alle Jugendlichen etwas erreichen. Wie können wir sie stärker am politischen Prozess beteiligen? Das ist eine der Fragen, vielleicht die wichtigste. Wir sehen ja an Beispielen wie den Demos zu „fridays for future“, dass sich viele sehr wohl für Themen interessieren und mitmachen wollen.

Wie viel Einfluss hat deine Zeit als Teamer auf den heutigen Lennart Wulf?

Sehr viel. Dass die Älteren dich anerkennen und dir was zutrauen, das macht dich stärker. Mit 16 bin ich als Vertreter vom Lukashaus in meine erste Jugendvollversammlung geraten und bald auch in den Jugendausschuss der Nordkirche. Und natürlich kamen im Jugendtreff, zum Beispiel in Andachten, auch solche Geschichten wie vom barmherzigen Samariter. Sowas reflektiert und diskutiert man, das prägt. Da hat sich mein Wertefundament gegründet. Ohne die Jugendkirche wäre ich nicht politisch geworden. Gerechtigkeit, ein soziales Miteinander, Vergebung: Wenn wir all diese Werte leben würden, hätten wir definitiv weniger Probleme.

Kirche im Norden