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Silvesterpredigt aus Altenholz

Liebe Gemeinde,

was hat dieses Jahr 2020 alles an Hohn, Spott und Wut abbekommen.

Als wenn so ein Jahr etwas dafür kann, was in seinen zwölf Monaten passiert.

Nur: Irgendwohin muss man ja mit seinen Gefühlen. Und der Nachbar, oder gar die eigene Familie kann ja nichts dafür. Und wenn man etwas verabschieden will, dann tut es gut, es noch einmal genauer anzuschauen, es noch einmal in den Blick zu nehmen.

Das möchte ich jetzt mit euch tun. Und dabei eine Kerze entzünden für das, was mir wichtig erscheint im angelaufenen Jahr.

Als erstes fallen mir die vielen Menschen in unserer Gemeinde ein, die ein so lebendiges, buntes und wunderschönes kirchliches Leben hier ermöglichen: Die Mitglieder des Kirchengemeinderates, die viel Freizeit, die viel Energie hineinstecken in unser Schiff, das sich Gemeinde nennt. Die Jugendlichen, die über Monate geistliche Impulse in die Haushalte gebracht haben. Die Hauptamtlichen, die oft mehr gemacht und mitgedacht haben, als erwartet wurde. Die Ehrenamtlichen in der Kantorei, in den verschiedenen Bereichen, die diese Gemeinde so besonders machen. Für alle die zünde ich eine Kerze an.

Ich denke an die Menschen, die zu uns gekommen sind, um ein Kind taufen zu lassen, die heiraten wollten, die sich in Seelsorge an uns gewandt haben. Viel Vertrauen ist uns geschenkt worden, was ich immer wieder mit großer Dankbarkeit wahrnehme.

Eine zweite Kerze für diese Menschen.

Menschen aus unserer Gemeinde sind gestorben, haben ihre irdische Heimat verlassen, haben nun Geborgenheit bei Gott gefunden. Für sie und die Menschen, die um sie trauern, die sie vermissen, die nächste Kerze.

Ich lasse meinen Blick weiter werden, denke an die vielen Menschen, die in dieser von der Pandemie geprägten Zeit in ihrem Beruf ganz besonders herausgefordert und oft über ihre Grenzen belastet waren und immer noch sind: Menschen in der Pflege, in den Krankenhäusern, mein größter Respekt für sie alle und ein Moment der Besinnung, während ich eine Kerze für sie entzünde.

Eine Kerze entzünde ich für die Menschen, die wir trotz aller Bemühungen nicht erreicht haben, die Einsamen, die Verzweifelten, die Jungen, die Kranken: Nicht alle haben wir angemessen erreicht oder im Blick gehabt. Möge diese Kerze daran erinnern, nicht in unserem Bemühen nachzulassen für die Menschen, die uns anvertraut sind.

Und ich denke an Politiker*innen, die Verantwortung tragen, die Entscheidungen zum Wohle aller treffen müssen, oft, ohne zu wissen, was genau geschehen wird. Und ich denke an die Polizist*innen, die Entscheidungen durchsetzen müssen, auch gegen Widerstände. Meine Hochachtung für beide, während ich eine Kerze anzünde.

Und, auch wenn mir das sicher Kritik einbringen wird, eine Kerze für alle die, die hinter der Pandemie nur eine großangelegte Verschwörung von Politik, Bill Gates und anderen sehen, die meinen, sie könnten ohne Maske gegen Corona demonstrieren, die meinen, sie würden in ihrem Recht auf Meinungsfreiheit eingeschränkt vom Staat. Wobei es gerade dieser von ihnen so kritisierte Staat ist, der ihr Recht auf Meinungsfreiheit schützt. Eine Kerze für diese Menschen, in der Hoffnung, dass sie erkennen, dass sie irregeleitet sind und Rattenfängern nachlaufen, dass sie in schlechte Gesellschaft geraten sind, in ganz schlechte Gesellschaft!

Das musste gesagt werden. Und dann stehe ich hier mit der nächsten Kerze in der Hand, nachdenklich.

Früher sagte man oft: Im Jahre des Herrn… Ja, das Jahr des Herrn 2020 hat uns so manches abverlangt. Und doch: Auch das Jahr 2020 war ein Jahr des Herrn.

Und so zünde ich diese Kerze an, weil ich dieses Jahr von Gott geschenkt bekommen habe, und es nun in Gottes Hände zurückgeben möchte.

Ich will nicht sagen, dass es ein tolles Jahr war. Und gleichzeitig bin ich unendlich dankbar: Dass ich es erleben durfte, und für die vielen kleinen Begegnungen, die Gespräche, Telefonate, Mails. Und ich habe gemerkt, dass manchmal diese kleinen Dinge eine große Bedeutung haben.

Und so will ich eine Kerze anzünden für die angeblich kleinen Dinge, die Großes bewirken können.

Wenn ich zurückschaue auf dieses Jahr 2020, dann merke ich, wie klein ich mich fühle, es ist eben nicht alles machbar und planbar. Ich werde demütig. Und fühle mich dem Kind in der Krippe, dessen Geburt wir grade gefeiert haben, unendlich nahe. In seiner Bedürftigkeit, seiner Hilflosigkeit.

Mich haben in den letzten Tagen wieder einmal die Bilder der Flüchtlingslager schockiert, Bilder von kleinen Flüchtlingsbooten auf dem Mittelmeer. Weihnachtliche Gedanken begleiten Maria und Joseph mit dem neugeborenen Jesus voller Mitgefühl, wo aber bleibt unser Mitgefühl mit den Geflüchteten von heute? Wo bleibt da unsere christliche Nächstenliebe als christliches Abendland? Ich zünde eine Kerze an für alle Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen. Und für uns, dass sie uns an diese Menschen erinnert.

In meinem kleinen Rückblick habe ich so manches nicht erwähnt, was aber dem einen oder der anderen wichtig war, dafür zünde ich eine vorletzte Kerze an.

Und schließlich: Auch wenn die Hoffnung manchmal etwas kleiner wurde, so bleibt doch die Hoffnung, dass das vor uns liegende Jahr des Herrn 2021 ein gutes wird, dass wir uns wieder in die Arme nehmen dürfen, dass wir wieder Nähe und Gemeinschaft ganz wirklich und nicht alleine digital erleben dürfen.

Für diese Hoffnung zünde ich diese Kerze an.

Ein Hoffnungsleuchten für das kommende Jahr.

Amen

(Autor: Okke Breckling-Jensen)

Kirche im Norden