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Ungewohnte Töne beim Demokratiekolleg zur Landtagswahl

  • Diskutierten in der Rendsburger Christkirche über den Frieden (v.l.n.r.): Propst Matthias Krüger, Dr. Kai Dolgner (SPD), Tim Brockmann (CDU), Eka von Kalben (Grüne), Lars Harms (SSW), Dr. Thilo Rohlfs (FDP) und Pastorin Nora Steen.

Rendsburg – Erstmalig fand das Demokratiekolleg des Kirchenkreises Rendsburg-Eckernförde in diesem Jahr anlässlich der Landtagswahl statt. In der Rendsburger Christkirche begrüßte Propst Matthias Krüger fünf Landespolitiker*innen aus Schleswig-Holstein, um mit ihnen darüber zu sprechen, wie Frieden heute geht. Moderiert wurde der Abend von Pastorin Nora Steen, der Leiterin des Christian-Jensen-Kollegs in Breklum. In den einleitenden Worten betonten Steen und Krüger, dass Kirche sich in der Verantwortung sieht, im Vorfeld von Wahlen Angebote wie dieses zu machen.

Der Einladung in die Christkirche waren Tim Brockmann (CDU), Dr. Thilo Rohlfs (FDP), Eka von Kalben (Grüne), Dr. Kai Dolgner (SPD) und Lars Harms (SSW) gefolgt. Alle Eingeladenen hatten drei Fragen vorab bekommen, die unterschiedliche Arbeitsgruppen erarbeitet hatten: Eine Frage zum Thema Klimaschutz kam von der Rendsburger Jugendkirche, eine Frage zum gesellschaftlichen Frieden aus einer Kirchenkreis-Arbeitsgruppe und eine Frage zum globalen Frieden vom Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein. Letzteres kooperierte erstmals mit den kirchlichen Organisatoren zum Demokratiekolleg.

Vorherrschende Themen waren die Herausforderungen der Energiewende sowie der Krieg in der Ukraine – auch wenn das Thema „Frieden“ vor dem Beginn des Angriffs festgelegt wurde und obwohl die Fragen keinen direkten Bezug dorthin herstellten. Überraschend waren die vielen leisen Töne, die nachdenklichen und teils privaten Beiträge und Ansichten der Politiker*innen auf dem Podium, von Wahlkampf hörten die Anwesenden an diesem Abend weniger.

So berichtete die Vorsitzende der Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein, Eka von Kalben, dass sie derzeit eine Geflüchtete aus der Ukraine bei sich aufgenommen habe und der Krieg dadurch sehr viel näher an ihrem eigenen Leben sei als vorher. Sie sei immer überzeugte Gegnerin von Waffensendungen in Kriegsgebiete gewesen, aber: „Diese Ansicht muss ich nun revidieren, auch wenn das sehr inkonsequent ist, dessen bin ich mir bewusst“. Wie geht Frieden heute? Auf der Suche nach einer Antwort darauf, dachte Dr. Thilo Rohlfs (Kandidat der FDP, derzeit Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein) laut darüber nach, ob er heute noch aus Überzeugung den Wehrdienst verweigern würde, wie er es als junger Mann tat: „Wahrscheinlich würde ich heute anders handeln. Ich glaubte damals nicht, dass uns das Thema Krieg nochmal so nah kommen würde“.

Uneins waren sich die Podiumsgäste bei der Frage nach einer entstehenden Spaltung in der Gesellschaft. Tim Brockmann, stv. Landtagsfraktionsvorsitzender der CDU, erklärte, dass diese Frage in der Vergangenheit immer wieder Thema war, ohne dass die Gesellschaft merklich gespaltet wurde: „Soziale Medien und Echokammern verzerren die Wahrnehmung. Es gibt einen kleinen Anteil unter den Menschen, der anderer Meinung ist beispielsweise beim Thema Impfen, aber keine Spaltung. Da braucht es geschickte, kluge und erklärende Politik, die die vorhandene Komplexität reduziert“. Dr. Kai Dolgner, seit 2009 für die SPD im Landtag, widersprach: „Die Spaltung ist real. Viele Menschen sind von einem mehrfachen Strukturwandel betroffen, das muss man ernstnehmen“.

Die Jugendkirche Rendsburg unterstützte den Abend nicht nur mit der eigenen Jugendband, sie hatte auch eine Frage vorab erarbeitet. Die Jugendlichen wollten wissen, wie die Energiewende vorangebracht werden soll, ohne dass Einzelne über Gebühr dadurch belastet werden. Grundsätzliche Einigkeit herrschte bei allen Befragten darüber, dass der Ausbau schneller vorangetrieben und Genehmigungsverfahren vereinfacht werden müssen. Während Dr. Rohlfs sich für LNG als Brückentechnologie stark machte, riet Lars Harms (Vorsitzender der Landtagsfraktion des SSW) dazu, einen Blick über die Grenze zu werfen: „In Dänemark werden alle Haushalte, die derzeit mit Gas heizen, finanziell unterstützt, um an Fernwärme angeschlossen zu werden. Wo das nicht geht, weil die Menschen zu weit auf dem Land leben, werden Biogasanlagen vor Ort unterstützt. Selbermachen ist schlauer und am Ende günstiger, als teures, umweltschädliches Gas woanders her zu beziehen“.

Gegen Ende des Abends konnten aus dem Publikum noch Fragen gestellt werden, eine davon zielte konkret auf Putins Angriff in der Ukraine ab: „Aufrüstung hat selten zum Ziel geführt! Ist die Diplomatie dort schon am Ende?“ Einig waren sich alle darin, dass Diplomatie nur funktionieren kann, wenn beide Seiten daran ein Interesse haben und dieses Interesse auf Putins Seite nicht erkennbar sei. Und auch wenn das Unbehagen über eine mögliche Aufrüstungsspirale bei allen Politiker*innen deutlich wurde: Einen Lösungsvorschlag für diese brisante Situation hatte niemand zu bieten.

Rückblick:
Bereits zum vierten Mal organisierte der Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde ein Demokratiekolleg in Rendsburg. Dieses Mal standen Landespolitiker*innen auf der Einladungsliste. Die Vorgängerveranstaltungen 2017 und 2021 fanden jeweils vor den Bundestagswahlen statt, 2019 zur Abfrage eines Zwischenstandes. Eingeladen waren jeweils die Wahlkreiskandidat*innen.

Kirche im Norden