Rendsburg – Irgendwann soll auch mal Schluss sein. Für Wilko Schierhorn endet seine Zeit als Organist im Alter von 83 Jahren. Aber von der Orgel wird er nicht ganz lassen können. Bei Pastorin Claudia Heynen hat er sich erkundigt, wie er auch nach der Verabschiedung noch dann und wann an der Orgel in der Kirche St. Jürgen spielen und proben kann. Denn die Orgel – und generell die Musik – bestimmt sein Leben. Claudia Heynen verspricht: Wilko Schierhorn wird weiterhin spielen können, wenn er Zeit und Lust hat. Aber er muss nicht mehr.
Denn er wird am Sonntag, 15. Juni, um 10:30 Uhr in einem Festgottesdienst mit anschließendem Empfang in St. Jürgen offiziell verabschiedet. Es ist ein doppeltes Fest, denn parallel wird das 60-jährige Jubiläum von Wilko Schierhorn als Organist begangen. Pfingsten 1965 hat er begonnen, Pfingsten 2025 beendete er seinen Dienst. Beim Gottesdienst zur Verabschiedung sind mit dabei: die Kirchenmusiker Volker Linhardt, Marius Branscheidt, Katja Kanowski und Landeskirchenmusikdirektor Hans-Jürgen Wulf, der Rendsburger Posaunenchor, Pastorin Claudia Heynen, Pastor Rainer Karstens sowie ein Überraschungsgast.
Wilko Schierhorn ist mit der Orgel und der Musik aufgewachsen. Sein Vater, der ebenfalls Wilko Schierhorn hieß, war Organist und Kantor in Borby. Als er 1940 zur Wehrmacht eingezogen wurde, saß seine Mutter an der Orgel. Der kleine Wilko, geboren 1941, war oft genug mit dabei, schließlich fanden in der harten Zeit nach dem Krieg oftmals täglich Trauerfeiern in der Kirche statt. „Wenn Stromsperre war, mussten wir manchmal den Balg treten“, sagt er. Auch zu Hause war die Musik omnipräsent, Wilko Schierhorn erinnert beispielsweise sich daran, wie er seine Bauklötze unter dem Flügel im Wohnzimmer aufgebaut hatte – dort konnten sie länger stehen bleiben.
In einer musikalischen Familie – auch seine ältere Schwester war Organistin – lernte er früh die ersten Instrumente. Bereits mit neun Jahren spielte er Trompete im Posaunenchor des Vaters, der 1947 aus dem Krieg zurückgekehrt war. Zudem bekam er Klavierstunden. Und als die Beine lang genug waren, um das Pedal spielen zu können, ging es endlich an die Orgel. Die ersten Vertretungsdienste absolvierte er mit 15 oder 16 Jahren in St. Nicolai Eckernförde, außerdem spielte er damals beim Kindergottesdienst, erinnert er sich. Als Musiklehrer hat ihn der langjährige Organist an St. Nicolai, Kirchenmusikdirektor Immo Wesnigk, geprägt. Der eigene Vater unterstützte ihn, aber es kam auch zu Konflikten. Insbesondere mit Wilko Schierhorns Leidenschaft zum Jazz konnte der Vater nichts anfangen.
Nach dem Abitur auf dem Humboldt-Gymnasium in Kiel studierte Wilko Schierhorn Musik, Wirtschaft, Geschichte und Politik. Warum wurde aus ihm kein Berufsmusiker? „Meine Finger sind zu kurz“, sagt Schierhorn. „Ich kann eine Oktave gut greifen, mehr aber war schwer. Mein Vater wollte deshalb nicht, dass ich Musiker werde.“ In der Schule und an der Orgelbank blieb Schierhorn aber immer der Musik eng verbunden. Und die Trompete spielte er auch – ob im Posaunenchor oder in vielen unterschiedlichen Jazz-Bands. Auch seine erste Stelle als Lehrer an der Christian Timm Realschule in Rendsburg bekam er, weil er das dortige Jugendblasorchester leiten konnte. „Ich wurde bereits im zweiten Semester des Studiums gefragt, ob ich die Stelle haben wollte“, sagt er.
Seine erste Stelle als Organist trat er im damaligen Bezirk Borby-Land an, das später selbstständig wurde und heute zur Kirchengemeinde Schwansen gehört. Als die Kirche in Barkelsby 1965 zu Pfingsten eingeweiht wurde, war dort Organist und blieb dies bis zum Oktober 1973. Es folgten sechs Jahre in Sehestedt, wo er auch den Posaunenchor leitete. Von 1979 bis 1989 war er in Büdelsdorf Organist und gründete dort einen Kirchenchor. Seit 1989 dann war er Organist in St. Jürgen Rendsburg. Abgeworben hatte ihn damals Pastor Klaus Peter Barg, den er von früher kannte.
Als Lehrer ging er 2007 in den Ruhestand, an der Orgel blieb er bis jetzt. Und das soll ja auch noch weitergehen. Wilko Schierhorn lernt gerne dazu. Auch von Tobias Langwisch, der zunächst sein Schüler in Büdelsdorf war, wo er seit den 1980er Jahren auch als Lehrer arbeitete. Langwisch beherrschte das Keyboard, Schierhorn brachte ihm die Orgel näher. Heute ist Langwisch A-Kirchenmusiker und Kreiskantor im Hildesheimer Land.
Schierhorn ist und bleibt leidenschaftlicher Musiker. Als in der Corona-Zeit keine Gottesdienste gefeiert wurden, fehlte ihm etwas. „Ich wusste gar nichts mit mir anzufangen“, sagt er. Schließlich gehörte die Orgel zum Alltag einfach mit dazu. Und auch im Urlaub saß er gelegentlich in einer Kirche und spielte. „Wir sind gerne als Familie längere Zeit mit dem Wohnwagen nach Öland in Schweden gefahren“, erzählt er. Dort holte er sich bei schlechtem Wetter vom Pastor den Orgelschlüssel und spielte.
„Das Schöne war das Schnüffeln in den schwedischen Orgelnoten“, sagt er. Besonders die Hochzeitsmärsche hatten es ihm angetan und zweimal ergab es sich, dass er in Schweden eine Hochzeit auf der Orgel begleitete. Welche Musik er heute am liebsten spielt? „Mit zunehmendem Alter ist das die Orgelmusik der Romantik“, sagt er. Er liebt die Orgelsonaten von Felix Mendelsson-Bartholdy. Aber auch unbekanntere Orgelstücke faszinieren ihn, zuletzt hat er eines von Emma Louise Ashford für den Gottesdienst vorbereitet. Gerne erarbeitet er sie sich über Youtube. Wilko Schierhorn geht mit der Zeit und spielt nach dem Abschied gerne weiter. Sein Leben ist schließlich ohne Orgel nicht denkbar.