Mehr als 200 Menschen haben es in der Auferstehungskirche Büdelsdorf gewagt. Sie haben sich in den Kletterparcours begeben, der im März für zwei Wochen in der Kirche aufgebaut war. Mitten im Raum stand beinah deckenhoch ein Kletterparcours. Die Kirchengemeinde hatte ihn bei der anhaltinischen Landeskirche ausgeliehen und so gab es die Möglichkeit, den Kirchraum und Glaubensthemen aus neuen Perspektiven zu sehen und zu erleben. 172 Kinder und Jugendliche, 25 Erwachsene sind geklettert, begleitet wurden sie von 17 Teamern im Alter von 14 bis 84 Jahren, die von ihrem Glauben erzählt haben.
„Wir haben tolle Gespräche über Kirche, Glaube und unsere Welt geführt“, berichtet Pastorin Christiane Zimmermann-Stock. Besonders beeindruckt hat sie die Begegnungen mit den Schulklassen vom Herdergymnasium und eine Klasse vom Berufsbildungszentrum, darunter ukrainische und syrische Schülerinnen und Schüler. „Es war sehr emotional und unser Motto ,Getragen wagen‘ erhielt eine noch tiefere Bedeutung“, sagt Pastorin Zimmermann-Stock.
Etwa ein halbes Jahr ist es her, dass sie auf Instagram bei einer Studienfreundin den Kletterparcours entdeckte: „Die Idee fand ich richtig gut und dann stellte ich fest: Der Parcours kann ausgeliehen werden!“ Der mobile Hochseilgarten ist ein Projekt der Anhaltinischen Landeskirche und dort seit elf Jahren in unterschiedlichen Kirchen im Einsatz, kann aber bundesweit ausgeliehen werden. Büdelsdorf war nun der nördlichste Einsatzort für dieses kletter- und kirchenpädagogische Projekt.
Im Dezember startete die konkrete Planung, die Mitglieder im Kirchengemeinderat waren schnell überzeugt von dem Projekt. Herausfordernd war die Tatsache, dass die Büdelsdorfer Auferstehungskirche auch Ort für Abschiede ist. In der Regel werden hier die Trauergottesdienste abgehalten, wenn ein Mensch verstorben ist. Diese mussten nun für eine begrenzte Zeit in den Gemeinderaum ausweichen.
Zwei Tage lang haben der Köthener Pfarrer Martin Olejnicki und Jugendreferent Uwe Kretschmann den mobilen Hochseilgarten aufgebaut. Die Höhe musste angepasst werden, die Kirche ist „nur“ sechs Meter hoch, die eigentliche Höhe des Parcours beträgt aber acht Meter. So war die Laufhöhe bei ungefähr dreieinhalb Metern. Darauf folgte die zertifizierte Ausbildung der Teamerinnen und Teamer, die das Projekt begleiteten. Denn ohne Basiswissen über alles rund ums Klettern ging hier niemand in die luftige Höhe. Gruppen und Einzelpersonen sind geklettert, zwei Gottesdienste wurden mit dem Parcours in der Mitte der Kirche gefeiert.
Über den Stationen, die nicht alle in luftiger Höhe zu finden waren, stand das Motto „Getragen wagen!“. Pastorin Zimmermann-Stock erläutert: „Für uns Menschen ist es wichtig, dass wir uns getragen fühlen, aber es stellt sich doch die Frage: Was trägt mich? Die Antworten können sehr unterschiedlich ausfallen, Familie kann tragen, der Glaube kann uns tragen, aber auch Institutionen. Christinnen und Christen wissen, dass Gott sie trägt. Aber: Wie merke ich das eigentlich? Woran mache ich das fest? An den einzelnen Stationen können wir spürbar machen, was uns trägt – beispielsweise die Taufe als sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft“.
Neben diesen Fragen haben die Menschen aber auch viele andere Dinge erfahren: Warum gibt es einen Taufstein? Wofür steht die Taufe? Wofür wird die Kanzel gebraucht, wofür der Altar? „Wir erleben immer wieder, dass Nicht-Christinnen und -Christen durch den mobilen Hochseilgarten erstmals in einen Kirchraum kommen. Da gibt es in der eigenen Lebensgeschichte keine eigene Beziehung zum Thema Glaube und Kirche. Mit diesem Projekt bekommen diese Menschen ein Gefühl für den Raum und die Gegenstände, die darin stehen, im Idealfall verbinden sie hinterher ein positives Gefühl mit etwas, das sie vorher nicht kannten“, berichtet Pfarrer Martin Olejnicki.
Die einzelnen Übungen haben auf den ersten Blick nichts mit dem Inventar zu tun. So gehört zum Parcours eine große Jakobsleiter, die Teamarbeit erfordert, weil sie allein nicht bezwungen werden kann – die Abstände sind zu groß. Es gibt Stationen, die immer gleich sind, andere werden an das Interieur der jeweiligen Kirche angepasst, so entwickelt sich das Projekt ständig weiter. „Das Projekt soll auf Kirche aufmerksam und neugierig machen“, so Uwe Kretschmann. „Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollen Neues kennenlernen, sich ausprobieren und über sich hinauswachsen.“
Und in Büdelsdorf hat es funktioniert. „Es war eine supertolle Aktion, die ist richtig gut angekommen“, resümiert Christiane Zimmermann-Stock. Es habe viele Begegnungen gegeben, auch mit Menschen, die nicht eng an die Kirche gebunden sind, andere kamen von weiter her. „Wir sind sehr begeistert aber auch erschöpft, es waren zwei tolle Wochen, aber alles hat seine Zeit, jetzt ist alles zurückgebaut und wieder im Normalzustand.“
Der mobile Kletterpark kann bundesweit angemietet werden. Kontakt: Uwe Kretschmann