Aufschrift Frieden braucht mehr, Umriss Taube aus bunten Herzen Mädchen schaut durch Lupe, Text Jahreslosung 2025 "Prüft alles, aber behaltet das Gute" Lupe an Buchstapel, Text Jahreslosung 2025 "Prüft alles, aber behaltet das Gute" Frauenkopf als Chaosfilter, Text Jahreslosung 2025 "Prüft alles, aber behaltet das Gute" Man von hinten vor vielen Türen, Text Jahreslosung 2025 "Prüft alles, aber behaltet das Gute" Junge betrachtet Rasen durch Lupe, Text Jahreslosung 2025 "Prüft alles, aber behaltet das Gute" Lupe und Glühbirne, Text Jahreslosung 2025 "Prüft alles, aber behaltet das Gute" Lupe und Pflanzen, Text Jahreslosung 2025 "Prüft alles, aber behaltet das Gute" Wassertropfen auf Pusteblume, Text Jahreslosung 2025 "Prüft alles, aber behaltet das Gute" Hände halten reifende Tomaten, Text Jahreslosung 2025 "Prüft alles, aber behaltet das Gute" Finger verschiebt Holzklotz, Text Jahreslosung 2025 "Prüft alles, aber behaltet das Gute"

"In der Verletzlichkeit der Weihnachtsbotschaft liegt der Frieden"

Pastorin Lea Strohfeld über das Predigen an Weihnachten in schwierigen Zeiten und der Schwierigkeit, mit der Weltlage umzugehen. Ihrer Ansicht nach ist die Botschaft in diesen Zeiten möglicherweise leichter zugänglich.

Frank Jung vom shz hat im Rahmen einer Recherche für eine Weihnachtsgeschichte Fragen an Pastorinnen und Pastoren verschickt. Es ging um die Frage, ob das Predigen in diesem Jahr anders ist als sonst. Für unseren Kirchenkreis hat Lea Strohfeldt die Fragen ausführlich beantwortet. Wir bringen nach Rücksprache mit Frank Jung die Fragen mit allen Antworten. Den Artikel beim shz finden Sie hier.

Ist es irgendwie anders, dieses Jahr eine Heiligabend-Predigt zu verfassen als vor wenigen Jahren? Worin besteht der Unterschied?

In den vergangenen Jahren ging es (soweit ich das mit meiner kurzen Berufserfahrung beurteilen kann) vor allem darum, nach der Relevanz der christlichen Botschaft im Leben der Menschen zu suchen. Natürlich gab es immer individuelle Bedrängnis, aber die kollektive Not scheint in diesem Jahr besonders stark zu sein. In Zeiten, in denen Frieden eine Selbstverständlichkeit ist, scheint die Weihnachtsgeschichte wie ein nettes Märchen, dessen Botschaft irgendwie common sense ist. Natürlich haben wir Zukunftspläne voller Hoffnung, natürlich ist Nächstenliebe und für Schwache einzustehen der Standard. Das hat sich verändert. Auf einmal müssen hoffnungsvolle Perspektiven erst beweisen, dass sie nicht aus Naivität entstehen und liebevolle, zugewandte Haltungen stehen auf dem Prüfstand. 

Inwiefern spiegelt sich die herausfordernde Weltlage in den Gesprächen, die Sie in Ihrer Gemeinde führen? Gibt es dazu auch ein Beispiel, das besonders exemplarisch vermittelt, was die Menschen umtreibt?

Die Themen sind groß und zum Teil apokalyptisch. Junge Menschen, die im Kriegsdienst verheizt werden könnten, Bedrohung der Demokratie und, wenn auch von den anderen überschattet, der Klimawandel, das sind Themen, die kommen im einen oder anderen Kontext ständig zur Sprache. Oftmals wirkt es, als würden viele Menschen von einer Abwärtsspirale ausgehen, die sich nicht aufhalten lässt. Wenn so große Ängste alles überschatten, ist es manchmal gar nicht so leicht, noch die nötige Energie aufzubringen, sich über die tagesaktuellen politischen Entscheidungen Gedanken zu machen, die tatsächlich ganz konkret Menschenleben und -rechte bedrohen und auf die wir als Gesellschaft in Deutschland Einfluss hätten. (Brechen von Versprechen gegenüber afghanischen Ortskräften, die nun um ihr Leben bangen müssen. Abbau und Einschränkung von Sozialleistungen, die Menschen immer weiter in die Armut treibt. Demonstrationen, die zum Teil gewaltvoll beendet werden. Und so Vieles mehr.)

Wie - in groben Zügen beschrieben - wollen Sie auf zunehmende Unsicherheiten der Weltlage und daraus resultierende Zukunftsängste in Ihrer Heiligabend-Predigt eingehen? 

Ich persönlich werde vor allem in den Familiengottesdiensten predigen, darum wird die Botschaft dort kompakt bleiben. Die vielen Ängste der Menschen an Weihnachten noch einmal aufzuzählen und auszumalen, halte ich nicht für so sinnvoll. Die tragen sowieso alle mit sich herum und können sie nicht ausblenden. Ich sehe es eher als Kernaufgabe jeder Predigt, die ich im Moment halte, Hoffnung und Werte, derer ich mir sicher bin, hochzuhalten. Auch entgegen dem Zeitgeist. 

Bekommt die Weihnachtsbotschaft durch die aktuelle Weltlage eine gesteigerte oder sogar neue Bedeutung und wenn ja, worin besteht diese Bedeutung?

Neu ist die Bedeutung sicher nicht. Aber vielleicht aktuell wieder zugänglicher. Ich finde, es tut gut, zu wissen, dass die Menschen vor über 2000 Jahren ganz ähnliche Gefühle hatten wie heute. Die Umstände und Antagonisten mögen sich verändert haben, aber die existentiellen Gefühle, die sind genau die gleichen. Die Bedrohung fühlt sich groß an (völlig unabhängig davon, wie real sie am Ende ist) und die Sehnsucht nach etwas oder jemandem, der dem ein Ende setzt, ist natürlich da. Ein Friedensbringer, der mit Handlung und Haltung nicht nur für das Ende von Kriegen sorgt, sondern auch für eine innere Ausgeglichenheit, Freiheit von Angst, Hoffnung für die Zukunft. Wie schön wäre das? 

Fällt es Ihnen schwerer oder leichter als sonst, im aktuellen Umfeld Hoffnung, wie sie in der Weihnachtsbotschaft und im christlichen Glauben insgesamt angelegt ist, zu verbreiten? 

Natürlich ist es auch für mich nicht leicht, mich nicht von den allgemeinen Stimmungen mitreißen zu lassen. Ich habe auch kleine Kinder, für die ich mir eine behütete und friedliche Zukunft wünsche. Ich muss mich auch immer wieder selbst vergewissern, dass meine Glaubenssätze noch stimmen. Ja, ich glaube an das Gute in der Welt. Ich glaube daran, dass Liebe und Hoffnung transformative Kraft haben. Dass sie Menschen verändern können und Härte und Hass oft nichts weiter als Übersprungshandlungen sind. Ich glaube, dass es eine schöpferische Kraft gibt, die das Leben liebt und dass darum Tod und Vernichtung niemals das Ende sein werden. Ich glaube, dass Frieden gerade in dem Weichen und Verletzlichen der Weihnachtsbotschaft liegt, nicht in Verhärtung der Fronten. Es gibt Tage, da muss ich mir das auch selbst neu sagen oder von anderen versichern lassen, um selbst daran festhalten zu können. Der gesellschaftliche Diskurs und das Reden über Härte und Stärke greift durchaus um sich und es erfordert unheimlich viel Resilienz, sich von diesen (oft auch künstlich geschürten) Ängsten nicht infizieren zu lassen.

Glauben Sie, dass viele Menschen angesichts der unsicheren Zeiten auch wieder offener für die Weihnachtsbotschaft oder andere christliche Botschaften sind, damit dann auch die Heiligabend-Predigt wichtiger wird?

Tja, das geht, glaube ich, in beide Richtungen. Manche werden offener, weil sie sich besser mit der Bedrängnis identifizieren können und genau diesen weihnachtlichen Zuspruch gerade brauchen. Wie gesagt, die Versicherung der eigenen Werte durch ein Gegenüber (zum Beispiel einer Predigerin) ist sehr wichtig, damit man nicht plötzlich das Gefühl hat, selbst völlig danebenzuliegen. Andere denken vielleicht, die Kirche sei völlig weltfremd und naiv, wenn sie heute noch an Liebe glaubt. 

Wahrscheinlich kann es zu einer Gratwanderung werden, in der Heiligabend-Predigt einerseits Licht und Zuversicht zu verbreiten und andererseits die Herausforderungen der Zeitumstände auch nicht naiv auszublenden. Mit welchem Kniff versuchen Sie, diese Gratwanderung zu meistern? 

Licht und Zuversicht kommen nicht per Expressversand. Angst ist da und lässt sich nicht wegreden. Es läge mir fern, in einer Predigt zu behaupten, am Ende würde Gott es schon richten und es werde schon alles nicht so schlimm. Das kann keiner versprechen, schreckliche Dinge passieren, wenn es blöd läuft, auch dir oder mir. Aber wir haben selbst in der Hand, wie wir mit Bedrohung umgehen wollen. Ob wir Liebe abschreiben und alle für uns allein kämpfen wollen, um am Ende individuell bestmöglich dazustehen. Ob wir uns mit der Abwärtsspirale abfinden wollen. Ich finde das Heraufbeschwören von alternativlosen Apokalypsen fast genauso naiv wie das Hüllen in einen weltfremden Schleier aus Licht und Zuversicht. Man kann Prognosen aufstellen, natürlich. Aber es gibt so viele Stellschrauben, so viele Dinge, die den Lauf der Zeit ganz unberechenbar in die eine oder andere Richtung verändern können. Und die Geschichte, historische Ereignisse und auch die Erzählungen in der Bibel beweisen mindestens eine Sache: Immer wieder haben Menschen an Liebe geglaubt und genau das waren die Stellen, an denen Wunderbares entstehen konnte. An denen Bewegungen entstanden sind. Kräfte, mit denen auch Aussichtsloses zu wuppen war. Und man darf sich auch überraschen lassen, wie viel weniger schlimm so manche Bedrohung wird, wenn das allgemeine Gefühl da ist, dass eine Gruppe, eine Gesellschaft, eine Nachbarschaft sich aufeinander verlassen kann und an einem Strang zieht, weil sie gegenseitig den Wert eines und einer jeden anderen anerkennt und jedes Leben für schützenswert hält.

Um noch einen kleinen persönlichen Touch hineinzubringen: An Heiligabend sind Sie beruflich sehr beansprucht. Wann und wie finden Sie da einen Moment, um zumindest kurz auch mit Ihren Angehörigen ein bisschen Weihnachten zu feiern und worin wird dieser persönliche weihnachtliche Moment bestehen?

Mein Lieblingsweihnachtsmoment ist immer dann, wenn alle Gottesdienste gehalten und Geschenke ausgepackt sind und das Essen verputzt ist. Dann gibt es nämlich endlich keine Aufgaben mehr und dieser Weihnachtsfriede, nach dem doch immer alle suchen, der kann auch bei mir endlich sacken und ins Herz einziehen.

Kirche im Norden